Der Hortfund von Langquaid

Im Jahr 1907 fand der Langquaider Bäckermeister Beck beim Setzen von Hopfenstangen nördlich des Ortes einen Komplex von 33 Bronzegegenständen. Es handelt sich dabei um einen sogenannten Hort- oder Depotfund.

Der Fundort liegt etwa 1250 m nordwestlich des Rathauses von Langquaid im heutigen Gewerbegebiet „Grubberg“. Nach längeren Verhandlungen verkaufte der Finder die Objekte ein Jahr später für 300 Mark an die heutige Archäologische Staatssammlung in München. Dort werden sie bis heute aufbewahrt.

Der Depotfund von Langquaid gehört zu einer Gruppe von Depotfunden, die aus einer größeren Zahl von gebrauchsfertigen Gegenständen bestehen. In die Kategorie Werkzeug und Geräte gehören drei Nähnadeln und sieben Schneidpfrieme, die zur der Holz-, Leder- oder Knochenbearbeitung benutzt wurden. Zum Schmuck zählen die Armringe und die Nadeln mit schräg durchlochtem Kugelkopf und spiralig verdrehtem Schaft. Sie dienten ehemals zum Verschluss eines Kleidungsstückes.

Die verzierte Lanzenspitze gehört zu den Waffen, zu denen wahrscheinlich auch die Beile zu rechnen sind. Zwar könnten sie natürlich auch für die Holzbearbeitung verwendet werden, doch treten Beile in der Bronzezeit außer in Depotfunden vorwiegend in Gräbern auf. Dort bezeichnen sie im Verein mit weiteren Waffen wie Dolchen oder Lanzenspitzen die prestigeträchtige Ausrüstung des Kriegers.

Die “Stufe Langquaid”

Dank der bereits zwei Jahre nach Auffindung erfolgten Veröffentlichung durch Johannes Jacobs spielte der Hortfund schon früh eine wichtige Rolle in der Diskussion um die Chronologie der Bronzezeit. Maßgeblich dafür war, dass er bis heute eine nahezu einzigartige Kollektion des zeitgenössischen Sachgutes darstellt, die Anknüpfungspunkte über einen sehr großen geographischen Raum erlauben.

1924 hat Paul Reinecke, der Altmeister der süddeutschen Vorgeschichtsforschung, den Depotfund von Langquaid zur Benennung eines Zeitabschnittes am Ende der frühen Bronzezeit (17. Jh. v. Chr.) verwendet, den man seither als „Langquaid-Horizont“ oder „Stufe Langquaid“ bezeichnet. Dies zeugt von seiner Bedeutung als chronologischer Fix- und Referenzpunkt, der dazu geführt hat, dass der Name Langquaid bis heute unter Prähistorikern in ganz Europa einen hohen Bekanntheitsgrad besitzt.

Die Beilklingen mit schmalen Bahnen und halbkreisförmiger Schneide werden Langquaid-Beile genannt. Sie finden sich europaweit bis in den hohen Norden. Die Fundstücke im Depot von Langquaid weisen sowohl eine männliche (Waffen, Scheidpfrieme) als auch eine weibliche (Schmuck, Nähnadeln) Komponente auf.

Der Depotfund zeigt überregionale kulturelle Zusammenhänge auf:
Ein ganz ähnlich zusammengesetzter Hortfund stammt aus Mittelböhmen. Die Gewandnadeln gehören zu einem schwerpunktmäßig zwischen Ostbayern und Ostungarn bekannten Typus. Die Beile treten dagegen vorwiegend in Südwestdeutschland und der Schweiz auf.

Da diese Form von Bronzebeilen im Depotfund von Langquaid erstmals in bezeichnendem Fundkontext auftauchte, werden solche Beile als „Form Langquaid“ oder „Typus Langquaid“ bezeichnet. Der Name wurde von dem 1943 gefallenen Prähistoriker Friedrich Holste in seiner 1953 posthum erschienen Arbeit „Die Bronzezeit in Süd- und Westdeutschland“ geprägt. Es handelt sich dabei um große und schwere Beile mit Schneiden, die den Umriss eines Kreissegments haben und langen, stark ausgeprägten Randleisten, die zur Befestigung an einer Knieholzschäftung dienten.

Die Frühbronzezeit

Ab etwa 2200 v. Chr. verbreitete sich in Mitteleuropa die Kenntnis der Bronzeverarbeitung. Ein neues Zeitalter beginnt: Die Bronzezeit. Bronze ist eine Legierung aus Kupfer und bis zu 10% Zinn. Da beides nur sehr begrenzt verfügbar ist, waren weitläufige Handelsbeziehungen notwendig. Wie die archäologischen Funde zeigen, existierte ein Verkehrsnetz, das ganz Zentraleuropa verband. Es diente sicher nicht nur dem Austausch von Gütern, sondern vermittelte auch technische Fertigkeiten und abstrakte Vorstellungen.

Die Zeit zwischen 2200 v. Chr. und 1600 v. Chr. wird als Frühbronzezeit bezeichnet. Charakteristisch sind Körperbestattungen in Hockerlage, Werkzeuge, Waffen und Schmuckgegenstände aus Metall sowie Hort- oder Depotfunde. Erstmals ist die Nutzung des Pferdes als Transportmittel nachweisbar. Die ostbayerischen Funde werden zur Straubinger Kultur gerechnet. Der Name kommt von den ersten großen Entdeckungen in Lehmgruben bei Straubing.

Der neue Werkstoff setzte sich in unserer Gegend nur langsam durch. Metalluntersuchungen haben ergeben, dass ein großer Teil der Metallfunde aus dem älteren Abschnitt der Frühbronzezeit aus Kupfer bestehen. In den ältesten Gräbern finden sich noch häufig Beigaben aus bearbeiteten Knochen. Das ist genau wie die Sitte der Hockerbestattung Ausdruck der jungsteinzeitlichen Wurzeln der Epoche.

In den Friedhöfen, die aus über 60 Gräbern bestehen können, wurden die Toten je nach Geschlecht unterschiedlich beerdigt: Frauen lagen auf der rechten Körperseite, Männer auf der linken. Mitunter gibt es Anzeichen für Holzsärge. Als Beigaben finden sich Armringe, Gewandnadeln, Reste von aufwendigem Kopfschmuck und Gewandbesatz. Dank einiger gut beobachteter Funde lassen sich die Trageweise und dadurch das ehemalige Erscheinungsbild rekonstruieren. Waffen finden sich nur selten, meist handelt sich um Dolchklingen oder Streitbeile.

Die Menschen siedelten in kleinen Dörfern, wo sie Ackerbau und Viehzucht betrieben. Nur ganz vereinzelt gibt es in den Siedlungen auch Hinweise auf Metallverarbeitung. Man wohnte in Pfostenhäusern, deren charakteristische Grundrisse mit leicht gekrümmten Außenwänden sich durch die Anordnung der Pfostengruben zu erkennen geben, in denen die tragenden Holzstützen verankert waren. Die Wände der bis zu 40 m langen und knapp 7 m breiten Häuser waren als Fachwerk mit lehmverputztem Flechtwerk ausgeführt. Zur Dacheindeckung verwendete man vermutlich Schilf, Rinden oder Holzschindeln.

Mit solchen Häusern endet in Süddeutschland eine seit der Jungsteinzeit bekannte Bautradition. Verstärkt wurden Siedlungsplätze in natürlicher Schutzlage aufgesucht, wie der Frauenberg bei Weltenburg oder der Domberg in Freising.

Hortfunde

Unter einem Hort- oder Depotfund versteht man in der Archäologie einzelne oder mehrere Gegenstände, die absichtlich niedergelegt, vergraben oder versenkt wurden und die weder als Grab- noch als Siedlungsfund anzusprechen sind. Solche Depotfunde sind seit der Jungsteinzeit aus ganz Europa bekannt. In der Bronzezeit erreichte die Deponierungssitte ihren Höhepunkt.

Die weite Verbreitung und lange Dauer dieses Brauchtums haben zu einem äußerst vielfältigen Erscheinungsbild geführt. Deponiert wurde unter anderem Schmuck in Form von Anhängern, Ringen und Nadeln, Waffen in Form von Lanzenspitzen, Streitbeilen, Dolchen und Schwertern, Werkzeug und Gerät in Form von Meißeln, Sicheln, Punzen und Beilen, aber auch Rohmaterialien in Form von Metallbarren und Gusskuchen. Während der Bronzezeit sind vor allem Gegenstände aus Bronze niedergelegt worden, es sind aber auch Depots von Keramikgefäßen bekannt. Nur vereinzelt wurden Gegenstände aus Gold oder Bernstein deponiert.

Nach ihrem Inhalt und ihrer Zusammensetzung können Depotfunde in verschiedenen Gruppen gegliedert werden. Es gibt beispielsweise Sichel- und Beilhorte, die ausschließlich Sicheln oder Beile enthalten. Für die Frühbronzezeit sind besonders Ringbarrendepots typisch, die Metallbarren in Form von Halsringen enthalten. Eine weitere Gruppe von Depotfunden, zu der auch der Hort von Langquaid gehört, besteht aus einer größeren Zahl von gebrauchsfertigen Gegenständen unterschiedlicher Funktion.

Nicht gänzlich klar ist der Grund für solche Deponierungen. Aufgrund des vielfältigen Erscheinungsbildes darf man ganz unterschiedliche Beweggründe annehmen. Diese reichen vom Versteck in Krisensituationen bis hin zur religiös motivierten Opfer- oder Weihegabe. Mitunter kann der Auffindungsort entscheidend für die Interpretation sein. Funde aus Felsspalten, Mooren oder Gewässern dürften durchweg als Opfergaben anzusehen sein. Auch bei Funden an Quellen, in Höhlen oder an auffälligen Felsgebilden liegt der Verdacht auf Weihungen an einem naturheiligen Ort nahe.

Andererseits häufen sich gerade die frühbronzezeitlichen Depots mit Ringbarren ganz auffällig im Vorfeld der alpinen Kupferlagerstätten. Offensichtlich zeichnen sie die Transportwege der Rohstoffe von den ostalpinen Bergbaurevieren und damit zweifelsfrei Handelswege nach.

Im Fall des Depotfunds von Langquaid wäre auch an einen Totenschatz zu denken, in dem persönlicher Besitz statt im Grab an separater Stelle der Erde übereignet wurde. Für eine solche Deutung spräche auch der Umstand, dass es in Süddeutschland bis heute kaum regelrechte Bestattungen dieser Zeit gibt.

Auch der bekannteste Fund der älteren Bronzezeit, die Himmelsscheibe von Nebra, war Bestandteil eines Hortfundes. Das ließ sich allerdings erst durch die Nachgrabungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt klären. Denn leider kommen nach wie vor viele bedeutende Funde nicht bei regulären Ausgrabungen, sondern bei illegalen Plünderungen ohne jede Dokumentation ans Licht.